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shitparade-party 2003

maria am ufer - berlin

12.7.2003

was ist eigentlich so schlecht an der love parade? was hat sich an ihr verändert, dass man im laufe der langjährigen geschichte mittlerweile fast abfällig von ihr spricht? ist dies gleichbedeutend mit dem ende der elektronischen musik in deutschland allgemein? ende der party-kultur?

fragen über fragen... der antwort auf diese fragen, bringt uns die kleine party im maria am ufer in berlin heute vielleicht näher. in der nähe des ostbahnhofs unmittelbar am ufer der spree gelegen. in hörweite zum tanz der tausenden an der siegessäule sowie auch nicht weit entfernt zum "true-spirit" tresor.

jedoch weit genug entfernt, um dem gröbsten rummel zu entgehen. entsprechend auch die fahrt nach berlin, keine staus, freie fahrt. nach 3 1/2 h fahrt bereits am ort des geschehens. kurz noch was essen im amerikanischen first-class-restaurant nummer eins, direkt im ostbahnhof. dieser scheint gleichzeitig auch an- und abfahrtsort eines teils des genannten rummels andererorts hier in berlin zu sein.

beim dinieren unseres kleinen abendmals fallen mir ein paar antworten auf die o.g. fragen ein. trillerpfeifen, bleiche körper - zumeist mit plüsch bedeckt, moos-grün gefärbtes haupthaar, alterstechnisch irgendwo zwischen 12 und maximal 19 gelegen, plateau-schuhe usw. das volle programm. die überbleibsel der diesjährigen love parade warteten hier auf ihren zug oder worauf auch immer. verbunden mit der vorstellung, dass davon ca. 500.000 einzelne exemplare nicht unweit von hier so eine art rocky horror picture show (nur ohne jeglichen kult-anteil) betreiben, komme ich schlagartig zu dem urteil, richtig gehandelt zu haben. nicht dort und dem ganzen entgangen zu sein. schluck vom koffeinhaltigen braunen gerbensaft eines amerikanischen cola-guts genommen und auschecken. zurück zur kleinen oase am ufer der spree, zum maria am ufer.

bereits am eingang herrschte freundliche atmosphäre, nichts zu spüren von aggression, wut oder hass, den man der shitparade vielleicht im ersten moment zuordnen mag. auch innerhalb des clubs herrschte eine sehr wohlige atmosphäre. schöne dekoration, guter sound, große bar, faire preise bei den getränken. der erste verdacht schleicht sich ein: ist die zunehmende bewegung um die shit parade am ende nichts anderes als die qualitative antwort auf den massenrummel des love-gegenparts?

der sound des aktuellen djs phon.o ist breitgefächert. elektronisch, hiphop, reggae/dancehall... eine mischung aus einer vielzahl von styles. netter einstieg.

ab 0uhr öffnete auch der zweite floor. eine weitere schöne - wenn auch künstlich geschaffene - welt aus licht und ton öffnet sich.

auch hier gleich ab beginn phon.o am auflegen. hier schon etwas elektronischer, jedoch mehr im langsamen spektrum gelegen. zwischen autechre und ähnlichem aus diesem genre jedoch ebenfalls eine sehr angenehme mischung.

nach dem dj kam apparat live zum zug. der erste höhepunkt des abends. nachdem der floor hier drüben ohnehin eher als chillout konzepiert zu sein schien, war auch sein sound etwas ruhiger gehalten. dennoch verbreitete dieser eine enorme fülle in dem gleichfalls gut gefüllten raum. weniger zum tanzen, mehr zum hinhören und geniessen. sei es im sitzen/liegen oder einfach im stehen und mitwippen.

nach ihm sollte napoli not nepal folgen. die tempomäßig erstmal etwas anzogen. bei den dreien war gleich ein gewisser bezug zum dancefloor zu spüren.

doch genug gechillt. es ging rüber in den mainfloor, auf dem sich pole feat. fat jon ausließen.

pole ansich mehr als elektronic-mit-rauschen-held bekannt, durchlebte erst kürzlich einen umbau seines eigenen sounds. mittlerweile holte er sich durch fat jon verstärkung und läßt daraus einen fusion aus elektonik-sound und 2step-rap-attitude entstehen.

dj-technisch folgte danach barbara preisinger, nicht schlecht, aber im großen und ganzen nichts neues oder sensationelles. zeit um im kleinen verbindungsraum zwischen floor 1 und 2, energie und getränk zu tanken sowie das ein oder andere gespräch zu führen.

bereit für das bierbeben. ein liveact vom shitkatapult-label, von dem heute abend ein großteil der acts stammen sollte. der name klingt bei den meisten wohl erstmal nach einer art verarsche, entpuppt sich jedoch bereits kurz nach beginn als trugschluss. den bezug zum namen kann ich euch leider auch nicht ganz erklären, nur soviel: auf der bühne saßen die beiden "macher" gemütlich bei einer flasche bier und schauten dem ganzen treiben auf der tanzfläche gelassen zu. zusammen mit einem kasten bier (um dem namen auch rechnung zu tragen) sowie einer weissen armbinde, die mit durchgestrichenem adler versehen war gesellten sich protest-tracks, die zwar vom band kamen, jedoch trefflich inszeniert worden sind. eine ahnung, was der auftritt sollte, kam einem erst hinterher...

texte wie "deutschlands mauern fallen", "schlag deinen fernseher kaputt" und ähnlichem machten klar, dass die songs mehr als nur popsongs sein sollten. doch die direkte antwort auf das friede-freude-eierkuchen-feeling? das ende der unpolitischen haltung der rave-gesellschaft? protest gegen das system allgemein oder eine mischung aus all dem? fragen die sich auch nach ende der performance wohl nicht eindeutig beantworten ließen. die deutschland-flagge jedoch, die während des auftritts von der sängerin um die hüften geschwungen wurde, deutete läßt auf den protest am vaterland schließen! elektronik-punk?

und wo wir schon beim punk-gedanken sind, kommen wir doch gleich zum nächsten vertreter und gleichzeitig label-betreiber des shitkatapults: t.raumschmiere, ebenfalls live!

sein protest wurde optisch weniger offensichtlich dargestellt und textlich nicht derart aufgegriffen wie bei seinen schützlingen vom bierbeben davor! dennoch war auch bei seinem liveact viel energie zu spüren. energie die sich nicht unbedingt im love-peace-happiness bereich ansiedelte, sondern eher von anderem gedankengut motiviert sein dürfte.

wie auf den bildern zu sehen, war der mann voll dabei. demnächst wird t.raumschmiere sein neues album veröffentlichen und diesen sound, den man dort zu hören bekommt, präsentierte er heute. von seinem letzten album ist man anderes gewohnt. somit unterzog auch er sich einer gewissen veränderung. mehr punk, mehr rock! unterstützung bekommt er hier von miss kittin, die bei den letzten tracks des liveacts ebenfalls noch live auf die bühne kam und zum mikrofon griff.

doch ich möchte garnicht mehr worte verlieren. man muss es gesehen und erlebt haben. bei der demnächst kommenden sonnemondsterne, habt ihr ja dazu gelegenheit.

jetzt im anschluss legte miss kittin dann auf. doch ganz ehrlich, nachdem die ersten tracks eher "gewöhnlich" ausfielen, entschieden wir uns doch dafür, so langsam abzubrechen.

alles im allem, punk hin, protest her, im groben läuft eine shitparade party auch nicht anders ab, als eine der vielen anderen parties im rest von berlin. der unterschied liegt im gespielten sound, der hier wohl (sicher nicht nur) sehr intensiv und alles andere als gewöhnlich war und das machte den abend doch zu einem ganz besonderen!

den sonnenstrahlen entgegen ging es nun nach hause und mal abgesehen von einer kleinen a9-komplett-sperrung unserer speziellen freunde des ministeriums für sicherheit, blieb uns auch hier ein stau oder ähnliches erspart.

 

[c2003 by bullyTM]

 

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