[archive] - [review 2011] - [kassablanca - jena]

[back]


 


klanglauf

kassablanca - jena

15.04.2011

[anm.d.red.:
1. Bild, das; -[e]s, -er [mhd. bilde = bild, gestalt, ahd. bilidi = nachbildung, abbild; gestalt, gebilde
2. bei szenemag für gewöhnlich ohne nachbearbeitung in "reinform". keine verwendung von farb- oder sonstigen filtern, keine manipulation, what you see is what you get! evtl. zu sehende verformungen und lichteffekte entstehen ausschließlich auf grund der gegebenheiten vor ort sowie ggf. unter verwendung eines konventionellen fotoblitzes.
3. die umrandeten fotos sind mit groß-formaten hinterlegt. auf wunsch
mailen wir euch auch gerne die original-größen.]
 

christian h. heute in jena:

"... Schon wenn man sich den Flyer von der "renommierten" Veranstaltungsreihe "Klanglauf" im ebenso renommierten Club Kassablanca in Jena zu Gemüt führt, sollte das Exotische der Gestaltung und die Motivwahl sofort ins Auge stechen. Eine entrückte, unwirkliche Ästhetik zeichnet das Coverbild aus, sind es denn jetzt Tulpen einer Blume, oder doch mehr Organe eines menschlichen Körpers? Da erinnert man sich gerne an die hochgelobten Fabric-Covers, designed von einem Grafikstudio namens "Village Green". Aber das nur am Rande.

Sinnbildlich jedoch könnte dieser Hauch von Exotik des Klanglauf-Covers auf das musikalische Programm des Abends bezogen werden: Guillaume & the Coutu Dumonts (den Namen muss man erstmal richtig aussprechen können, zum Glück muss ich ihn hier nur schreiben…) beehrten das - umgangsprachlich - "Kassa" am Samstag, und diesem Date konnte man erwartungsvoll entgegenschauen.

Hinter diesem Banner versteckt sich ein Herr, ein gebürtiger Kanadier, der im letzten Jahr viel Aufsehen mit seinem neuen Album ("Breaking The Fourth Wall") erregt hat. Für die Entstehung dieser Tracks liegen die unterschiedlichsten Klangtraditionen zu Grunde, die die nötige Inspiration lieferten. Im weitesten Sinne kann man seine Musik als "Weltmusik", "Ethnotechno" oder "Afrohouse" bezeichnen. Kurz um: Heute durfte man im Kassa gebannt sein auf eine multi-kulti-Musik-Kreation und sollte zugleich gewappnet sein für eine Flut von verstörenden, befremdlichen Klängen.

Spannend! Aber nun mal der Reihe nach, schließlich schritt dieser Act erst zu späterer Zeit ans Werk. Ich möchtemir auch jetzt einen großen Bogen um die Erklärung und Bedeutung des Kassablancas genehmigen, denn diese bedeutende Club-Institution sollte doch jedem geläufig sein. Homebase des "Freude am Tanzen" - Labels und Sublabel "Krause Duo", weiterhin bekannt durch regelmäßige Veranstaltungsreihen unter der Woche wie z.B. einem Vinyl-Workshop (Oliver Goldt hier mitwirkend…) und überhaupt berühmt-berüchtigt für seinen aussergewöhnlichen Charme und Atmosphäre.

Und wie! Schon beim Ankommen entpuppt sich der Ort augenscheinlich als Spielwiese und Eldorado für den Graffiti-Sprayer, und für den - in dieser Hinsicht - Laien als buntes Kunstwerk im Gebäude-Maßstab. Der Weg mutet nach einem Provisorium an, muss man doch ein Baugerüst hinauf klettern und eine wackelige Brücke beschreiten, um zum Club zu gelangen. Laternen und andere Leuchten tauchen die Szenerie in ein stimmungsvolles Licht, von weitem ist der dumpfe Basschlag zu hören. Es passt! Das ist Charme!

Dort angekommen war der Warm-Up-DJ (sry, aber i-jemand muss den Anfang machen…) Tyler schon im Gange. Auch hier schon konnte von "leichter Kost" und eingängiger Musik nicht die Rede sein, es erschien mehr so, als würde er im Studio Versuche unternehmen, seinen Musik-Horizont und Klang-Verständnis weiter zu stricken. Was bei weitem sich nicht schlecht anhören muss, aber zweifelsohne lies es sich nicht immer auf solch "heterogene" und vertrackte Musik leicht tanzen, besonders für das anwesende Publikum nicht.

Ich erlaube mir an dieser Stelle gleichmal einen Kritikpunkt einzuräumen: Das Publikum. Obwohl ich im Vorfeld anderes vermutet habe, erscheint im Nachhinein das Ganze verständlich zu sein: Jena ist eine Studentenstadt. Folgerichtig konnte man davon ausgehen, dass das Kassa auch stark gesäumt sein kann von eben Studenten. Entsprechend unbeholfen und "fehl am Platz" standen dann auch einige heute abend auf der Tanzfläche.

Ok, weiter mit den guten Dingen: Der experimentierfreudige Sound von Tyler lies einige erhellende Momente zum Vorschein kommen und sogleich annähernd auf den folgenden Act hindeuten, bei dem es nicht minder "sonderlich" zu geht. Eingangs erwähnt, komm ich nun auf ihn wieder zurück, Bühne frei, willkommen: Guillaume & the Coutu Dumonts (in diesem Falle standen die Jungs vor der Bühne, die Bühne wird im Kassa für andere Veranstaltungen genutzt)!

Als Duo auftretend, ergänzten sich der Kanadier und ein anderer Herr (finde leider den Namen nicht heraus) prächtig: Der eine an den Controllern, der andere für den Gesang. Von einem "Live-Act" konnte wirklich die Rede sein, so auffällig waren die sukzessiven Eingriffe an den Geräten in die Klangarchitektur. Im Stile einer Improvisation stellten beide ihre Arbeit, so konzentriert wie auch souverän, zur Schau und liesen mit einigen Peak-Momenten auf sich warten.

Diese Musik ist gewiss nicht vergleichbar mit dem pragmatischen Loop-Techno-Set, nein, da bedarf es schon mehr Mühen. So war die Anstrengung auch deutlich in den Gesichtern geschrieben, schweißperlenbehangen bearbeitete Guillaume & the… die Geräte. Die beiden Jungs hätten ohne weiteres nicht nur vor, sondern auch auf der Bühne auftreten können, so fein inszeniert wurde das Schauspiel.

Gerade bei Improvisationen wird es schwierig ein homogenes Set abzuliefern. Wobei hier erstmal geklärt werden muss, was man unter "homogen" verstehen möchte. Ohne zu sehr in Details zu versinken, sei gesagt: Vergesst den Four 2 the Floor und: Free your Mind! So bot man sich die Möglichkeit, wieder und wieder aufs neue überrascht zu werden.

Dafür sorgten die unzähligen Takt- und Rythmuswechsel, die energischen, rap-affinen Gesangseinlagen und zeitweise auftauchende Melodiedramen. Es lies sich definitiv nicht so einfach tanzen wie auf jene Musik von einem bekannten Szene-Protagonisten danach, doch auch hier sollte die Musik mehr gewesen sein, als nur ein "netter Zeitvertreib". In allem hat sich der Besuch des Kassas nach diesem Act schon gelohnt und macht Lust auf mehr. Mehr z.b. bei dem diesjährigen Love Family Park - Festival in Hanau, wo die Jungs als Headliner gebucht sind! Das mag was heißen.

Mathias Kaden. Wer kennt ihn nicht. Vormals Vakant, nun poduktiver für das Jena´er Label, umtriebig als DJ an allen Ecken der Welt, hat er seinen Bekanntheitsgrad um Welten gesteigert. So liest man ihn auch mal in einem Line-Up der diesjährigen Cocoon´schen Ibzia-Season. Markantestes Erkennungsmerkmal ist zweifelsohne das omnipräsente Wippen, meistens im Takt zur Musik. Auch hat man stets die Gewissheit, ein minimal, stark-groovendes Set mit Abgehgarantie zu hören bekommen.

Wie auch im Kassa, wo er den etwas weniger gesäumten Dancefloor bespielte. Wir haben 04:30, der Beat rollt, der Techno groovt, der Kaden wippt. Kaden ist seit jeher ein Garant für eine stimmungsvolle Party, solange das Publikum mitspielt. Dieses konnte bestimmt mehr mit seiner Musik anfangen, wie noch bei dem Vorganger-Act, doch auch hier wäre weitaus mehr "drin gewesen".

Trotzdem. Es war ein gelungener Abend für uns. Hauptsächlich aufgrund der neuen Club-Erfahrung, weil dieser uns vollends befriedigt hat. Die Musik war bemerkenswert anders, eine willkommene Abwechslung vom allseits vorherrschendem Minimal. Sicherlich beehren wir diese imageträchtige Partystätte wieder. Aber Achtung, "Obacht geben, länger leben", für die Begehung zum Gebäude ist kein roter Teppich ausgelegt! ;)

..."

2011 by bullytm, pics & text by christian h.] - powered by STORM Urban Water H2O + ENERGY !





[top]