[anm.d.red.:
1. Bild, das; -[e]s, -er [mhd. bilde = bild,
gestalt, ahd. bilidi = nachbildung, abbild; gestalt,
gebilde
2. bei szenemag für gewöhnlich ohne
nachbearbeitung in "reinform". keine verwendung von farb-
oder sonstigen filtern, keine manipulation, what you
see is what you get! evtl. zu sehende verformungen
und lichteffekte entstehen ausschließlich auf grund
der gegebenheiten vor ort sowie ggf. unter verwendung
eines konventionellen fotoblitzes.
3. die umrandeten fotos sind mit
groß-formaten hinterlegt. auf wunsch
mailen
wir euch auch gerne die
original-größen.]
"...
Es rattert. Es knarzt. Unaufhörlicher Lärm
füllt auch die entlegensten Nieschen dieses Ortes.
Der Geräuschpegel ist hoch, die Maschinen laufen auf
Hochtouren. Von Stillstand kann nicht die Rede sein. In
Fließbandproduktion werden Unmengen von
Transportenergie in Umlauf gebracht, das System steht.
Und wieder: Ein Rumpeln, Zischen, Grölen
Das
Geräuschsammelsurium ist weit gedehnt, es scheint,
als wolle es sich nie dezimieren.
Einst,
in den 70ern, hatte die Phrix AG - eine Zellulose- und
Papierfabrik in Okriftel (Stadtteil von Hattersheim am
Main im Main-Taunus-Kreis in Hessen) - wirtschaftlich
gesehen ein sicheres Standing. Später dann, 1967,
musste das Werk geschlossen werden. Seit jeher ist die
Phrix nun zu und sie steht - als Industriedenkmal - immer
noch. Reichlich ramponiert zwar, aber sie steht und
beherbergt jetzt Künstler und zahlreiche
Kleinbetriebe.
Heute,
40 Jahre später: Es rattert. Es knarzt. Es brodelt.
Wie ein moderates gießen hoch-destillierten Wassers
auf Feuer. So sägezahn-scharfspitzig, dass die
Angst, von diesem terrestrischen Klanggewitter erstochen
zu werden, fast gerechtfertig ist. Das Auftreten und
Kompositum der Geräuscheinlagen sind jedoch mehr
bedacht, gar "zielgerichteter". Und wieder: Ein
Auftauchen monströser Soundfreskel-Wände, so
heterogen gestrickt wie tausend Seiten Papier durch den
Shredderer gejagt.
Die
Rede ist nicht mehr von der Phrix AG, sondern von einem
bekannten Musikstück einer neuzeitlichen
Musikrichtung. Und da befinden wir uns schon Mitten im
Geschehen: Anstatt Industrie-estrichboden ein weit
berieseltes Areal von Sand, anstatt Produktionshallen
eine urlaubsflair-versprühende Szenerie von mit
Palmen bestückten Zirkuszelten, Sandstrand und
Wasser, anstatt Produktonsmaschinen zwei DJ Bühnen
und: "Blume der Nacht" von DJ
Koze.
Im
Freudentaumel glückstrunkene Gesichter wiegen sich
in den letzten Sonnenstrahlen des Tages und im Dunst des
hereinbrechenden Abends, kollektiv die Seele baumelnd in
wohltuender schlaraffenland-affiner Glücksoase, doch
sicherlich der ein oder andere Kopf mit den plagenden
Gedanken, dass dieser einzigartige IST-Zustand von
Körper- und Geisthaftigkeit eine - leider - endliche
Wohltat zu sein scheint.
Währenddessen
jedoch steht die oberste Prämisse, so viel wie nur
möglich von Zeit, Raum, (Er-)Leben aufzusaugen.
Momente, in denen sich der Mensch teilen möchte. Der
eine fürs Fotografieren und Erlebnisse -bildlich -
festhalten (um das "Augenzeugen-Alibi" in sicheren
Tüchern zu tragen), der andere für das
bloße Sein, ein "Sein" vorrangig mit sich selbst.
Anders betrachtet ist dieses Sein gar nicht so
"bloß", es ist gar eine Kunst im Leben (Jetzt wird
es aber wieder zu philosophisch).
Zurück
zum Schauplatz. Wir tänzeln barfuß auf den
mittlerweile gekühlten Sandkörnern, mehr oder
weniger große Seifenblasen, gekommen aus einem
neumodischen Gerätschaft namens
"Seifenblasen-Maschine", zerplatzen auf unseren
Nasenspitzen, leichte Windzüge am Rheinufer
durchziehen unseren Haarschopf. Wohin man auch schaut,
Gesichter vollends beglückt vom Lauf der Dinge. Ein
Lauf der Dinge ohne Kummer, Leid und Sorgen.
Die
Rahmenbedingungen für solch ein plagenfreies Leben
bietet ein weiteres Open-Air-Festival im Frankfurter
Raum. Gerade in hiesigen Zeiten, wo solch Veranstaltungen
wie Pilze aus dem Boden wuchern, erschwert sich die
Auslese des Guten folgerichtig: Je mehr Angebot, desto
erschwerter der Überblick für den Suchenden und
desto essentieller für den Veranstalter, sich durch
eine besondere Offerte von der Masse empor zu heben.
Willkommen
beim Le Bonheur Festival! Eine Open-Air-Reihe, welche
letzten Samstag ihren Anfang nahm. Auf die Beine bzw. im
relativ neuem "Club
Longbeach"
auf den Sand gesetzt von dem Frankfurter Platten- und
Sneakerladen Freebase, dem Label Connaisseur, dem
Darmstädter Club Level 6 und dem hessische
Radiosender YouFM - eine Kooperation, welche es im
Rhein-Main-Gebiet noch nicht gegeben hat.
Und
so durften wir uns eben auf die 1. Austragung freuen, als
Gastgeber: Freebase. Mit dabei: Radio
Slave, DJ Karotte,
Mathias Kaden (sollte er nicht als
1. bzw. letzter aufgezählt werden?),
Einzelkind, Chris
Wood, Meat u.a.; und eben
Monaco Schranze, Adolf Noise, Raum Tyler, Stefan Kozalla
oder einfach: DJ Koze. Listet man
sich die restlichen Aufgebote kommender Bonheur-Events
dazu, so hat man im nu ein - wenn nicht gar zwei -
Nachtdigital Events und dergleichen (wenn man solch einen
Vergleich ziehen darf
).
Nun
gut, beginnen wir doch mal in ganz sachlicher, objektiver
Berichterstattung , der Geist ernüchtert,
reflektierend - Tage später:
12:00
Ortsbekundung
und Bestandsanalyse. Erstes Erstaunen. Jenes jedoch
schlechter Natur (was sich später jedoch als
unbegründet erweisen sollte): Erschreckend wenige
Partypeople säumten die liebevoll gestaltete Anlage
des Club Longbeach. Unbeirrt schafften wir uns einen
Überblick über das Gelände: Manesche frei
galt in einem großen, halb offenem Zirkuszelt als -
nennen wir es mal - Showcase I (die "Mainstage" mit Radio
Slave, Karotte, Kaden etc.), Strandparty hieß es
auf Showcase II - ein Openair-Floor mit Sandstrand (die
"Mainstage" mit Koze, Chris Wood, Einzelkind etc.).
Im
Kontrast hierzu der morbide Charme der eingang
erwähnten Industrieruine, ihr gegenüber den
Club Longbeach flankierender Main - was für eine
Kulisse zur garantierten Reizüberflutung! Mit Liebe
zum Detail aufgemachte Deko-Elemente verpasstem der Szene
den finalen Schliff, und ein Hauch von Karibik-Ambiente
stand in der Luft. Die Musik spielt Seite an Seite mit
dem Umfeld - dies ist keine neue Erkenntnis - und so
bedarf es zumindest für den Kenner keiner
größeren Anstrengungen, die ungefähre
Marschroute des Musikstils zu erfassen.
Zumindest
auf der Open Air Stage konnte man gar nicht anders, als
leichte Kost in Form von house-betuchtem Minimal in der
Luft schweben zu lassen, aber deep anstatt seicht!
Obleich der Klangraum keine Grenzen erfahren hatt, so
unwiderstehlich, beliebig griffen die Beats die
Athmospäre. Es gab beim besten Wille kein entkommen,
so griffig dieser oft lyrik-getränkte
Disko-/Deephouse. Der Dank gilt an das Frankfurter
Künstler-Kollektiv "Zierpopp".
Sie stimmten harmonisch auf einen langen, sonnigen Tag
ein.
14:30
Nichts
desto trotz zog es uns nun ins Zelt zu
Karotte, vermutlich vornehmlich
aufgrund unserer Sympathin zu diesem charismatischen
Menschen (seine Musik dürften wir doch sicherlich
schon mehr als einmal gehört haben). Aber so ist das
eben: Den Starruhm erntet man nicht ohne angemessenen
Auflegstil. Das Karotte Stil hat, steht ausser Frage. Mit
stets einem Lächeln im Gesicht schickte er die
größer gewordene Menschentraube mit
Melodie-getränktem Minimal.
Die
"Mannheimer Schule" kam auch an diesem Tage zum tragen,
so war das Set von Karotte mit dem ein oder anderen
Cecillé, Oslo oder 8 Bit ("5 Jähriges", mal
nebenbei
) Track bestückt, wie z.B. dem
potenziellem Ibiza-Sommerhit "More or Less" von Mathias
Meyer auf Cecille. Nicht verwunderlich, dass die
Ausmaße der angesprochenen "Menschentraube"
größer wucherten. Angefixt durch das heitere,
unnachahmlichen-hippiejeske Entertainment eines DJ
Karotte.
17:00
17:00
Uhr, die Frisur sitzt, der Klang ist weiterhin
ausnahmslos vorzüglich. Es gab einen
Stellungswechsel an der DJ-Booth. Der Herr auf ihr hat
wahrlich weniger Grund Sorge über sein Haar zu
leiden: Radio Slave! Lange nichts
mehr gehört von Matt Edwards! Aber wie heißt
es doch so schön: Gut Ding will Weile haben! Man
darf gespannt sein auf seinen kommenden Output. Einen
Vorgeschmack auch diesen Output konnte man sich beim
Le
Bonheur Festival
holen:
Perkussive,
beatlastige Musik, ich möchte meinen, technoider
noch als Karotte. Das Treiben auf dem Floor unter dem
Zirkuszelt pochte stärker. Eine
schweißtreibende Angelegenheit allemal, auch wenn
das schattenspendende Zelt
"tanz-kompatibler-klimatisiert" daherkommt. Aber für
solch Atmo ist die hitzige Luft hinnehmbar. Wenn die
augenblickliche Floor-Bespielung des Rekids-Heads
für das eigene Wohlsein nicht reichen sollte (was
ich mir nicht vorstellen kann), hätte letzen endes
die Vorfreude auf alles Kommende das Tanzbein weiter
schwingen lassen.
Denn
da gab es noch ordentlich was auf die Mütze. Meat,
Chris Wood, etc. auf der Open-Air-Stage leider
über"tanzt" (die obligatorische Zwickmühle auf
Groß-Raves, jeden Act beizuwohnen
), standen
nun in den Startlöchern: Einzelkind, Mathias Kaden
und
21:00
Liebe
Freunde, ein kleiner Zeitraffer sei gegönnt, das
Beste kommt bekanntlich zum Schluss. Bzw. sind wir mit
folgender Zeitschiene auch schon bei - zumindest unserem
persönlichen - Schluss des Festivaltages angekommen:
Mathias Kaden. Ein Künstler,
welcher in den letzten Jahren wohl den größten
Quantensprung im DJ-Biz gemacht hat. Backwards never,
Forwards ever!
Nun
gut, was will man schon noch großartig dazu sagen,
wenn einem fast die Spucke im Mund hängen bleibt. Es
war ein Finale Grande sondersgleichen, der
Rave-Siedepunkt wurde längst überschritten. Es
war Rave vom Feinsten, da Rave alla coneur auch gespielt
wurde, und was für einer: Wenn Peak-Time-Nummern wie
"Tropical Melons" von 2000 & One, ein Edit von "where
we at" von Dixon & Co oder ein
..
von
.. an sich nicht
mehr ausreichen, müssen die Übergänge so
klug einjustiert werden, dass sich der Rave-Schmelztiegel
nochmal potenziert.
Ein
bisschen Lyrik da, ein bisschen Alarm-Glocken dort, die
Mischung aus dem Hause Freude am Tanzen war so
dermaßen klug feingeschmeckt, dass beinahe das
komplette Set von Kaden als eine einzige Peaktime-Nummer
gefühlt wurde. WOW! Wo Kaden nur seine Energien
zieht, wo Kaden sich nur seine "verspielten" Kalorien zu
sich führt
Nach sportlicher Betätigung
sieht es bei ihm fast immer aus, so stark das Wippen und
Zucken Hand in Hand mit dem Beat.
Also
ob dieses Verhaltensmuster alleinig nicht für sein
Markenzeichen ausreichen sollte, setzt er wieder und
wieder eine Schippe oben drauf: z.B. mit im
Bassgefüge rythmisierter Finger-Anstöße
auf der Schallplatte, so dass zusätzlich eine 2.
Bassline zum Sound mit dumpfen Schlägen getippt
wird. Aber wichtig: Danach bitte das Vinyl sauber mit
Wasser und Hemd abstreifen, damit auch ja kein
Übeltäter ausgemacht werden kann, wenn etwas am
schwarzen Gold kaputt geht
Ohen
Worte!
FINISH
Hatten
wir das denn gerade nicht? Faktisch ja, aber die
Schlusserkenntnis haben wir auf diesem prächtigen
Festival schon viel früher bekommen. Dazu bedurfte
es keinem Kaden mehr (welchen man nichts desto trotz
natürlich nicht missen wollte). Bewegen wir uns
zurück und weiter ins eigene ICH.
Es
rattert. Es knarzt. So intensiv, dass fast die eigene
Magengrube zu zerbröseln scheint. Kristallklarer
Sound aus den Boxen der Open-Air-Stage. Es müssen
schon die letzten, abschließenden Ausläufer
eines Tracks sein, so lange entfremdet er schon jenen
elitären "Place to be". Doch der Herr hinter den
Reglern verwässert die Track-Verschneidungen so
immens, dass eine Metamorphose zu etwas ganzem, schwerer
Fassbarem entsteht. Aus Zwei Tracks werde Ein Track. Aus
9 Tracks werde Ein Track
Aus 14
Es
ist der freigeistige Sound eines Stefan Kozalla aus
Hamburg. Be open minded, andernfalls erfreust du dich an
das offensichtlich Eingängige, was du kurze Zeit
später eh wieder vergessen hast, weil du so etwas
schon zu oft erlebt hast. Kozalla hat nämlich schon
viel erlebt, sich selbst neu zu erfinden ist kein aus
Zwang auferlegtes Credo, sondern das natürliche
Bedürfnis seines Organismus. Wer sich auch nur ein
bisschen mit diesem Kerl beschäftigt, der
weiß, dass sich Stangenware zu seinem musikalischem
Kosmos in etwa so verhält wie ein VW Polo zu einem
Triumph TR 2.
Und
deshalb: Lieber gekonnt an den Kanten der mehrfachen
Schnittmengen fräsen als gemähte Wiesen mit dem
Trimmer bearbeiten! Dazu muss man sich natürlich
erstmal um die Schnittmengen bewusst werden. Noch dazu
"mehrfach"
Man muss sich jetzt im Klaren sein: Koze
scherzt nicht, und fordert den Zuhörer geradezu
heraus. Richtig so, denn wenn man einmal abgetaucht ist,
im Strom seines Setflusses - gedeiht aus unzähligen
Zuläufern und Wasser(Inspirations-)quellen,
verfängt man sich zuseh- und hörends und kommt
nicht so leicht da wieder raus.
Sozusagen
"Gefangen". "Gefangen" im eigenen ICH. Schelmisch der
omnipräsente Blick von DJ Koze: "Catch me If you
can!"
Plötzlich,
so paradox es aufgrund seiner langatmigen
Trackabschlüsse erscheinen mag, beherrschen
Kuhglocken-Geräusche und Kinderstimm-Samples das
Klangbild. Die eh schon entrückte Stimmung
verfremdet sich noch weiter. Und fast ohne es zu
Bemerken, gesellte sich seit einigen Minuten ein
"Stargast" durch die Hintertür in den Klangraum:
Dexter von Ricardo Villalobos. Wechselseitig
"geschwängert" mit eben jenem
Cocoon-Compilation-Überhit "Dead Room" von
Koze´s Freundeskreis Kollektiv Turmstraße,
ebenso aus Hamburg.
Was
für eine Symbiose. Zum Heulen schön. Der prall
gefüllte Beach wurde von Koze´s "Temple of
Deepness" emotional erschüttert. Und manche
Menschen, wie ich, genossen evtl. den berühmten
"Flow-Zustand". Ein Zustand, der dich wie schwerelos
fühlen lässt, eins mit der Musik, eins mit dir
selbst, eins mit dem Ort, eins mit der Zeit, ein Zustand,
der im Endeffekt gar nicht passiert, weil du ihn gar
nicht wahr nimmst. Und das an einem ganz normalen (?)
Sonntag
Abend um 19:00 Uhr.
"Le
Bonheur", ein Glück dass es solche
Festival-Schätze wie dich gibt. Danke für diese
Glücksmomente! RAVE ON..."