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amsterdam dance event

melkweg - amsterdam

19.-23.10.2011

[anm.d.red.:
1. Bild, das; -[e]s, -er [mhd. bilde = bild, gestalt, ahd. bilidi = nachbildung, abbild; gestalt, gebilde
2. bei szenemag für gewöhnlich ohne nachbearbeitung in "reinform". keine verwendung von farb- oder sonstigen filtern, keine manipulation, what you see is what you get! evtl. zu sehende verformungen und lichteffekte entstehen ausschließlich auf grund der gegebenheiten vor ort sowie ggf. unter verwendung eines konventionellen fotoblitzes.
3. die umrandeten fotos sind mit groß-formaten hinterlegt. auf wunsch
mailen wir euch auch gerne die original-größen.]
 

"...

Silvester Sucks. Diese Ansicht vertrete ich ja. Also diese obligatorischen Sau-Exzesse, die nach den Vorstellungen vieler prinzipiell aufgeführt werden müssen. Aber da gibs dann natürlich die anderen, im Niveau etwas - aber nur etwas - gehobeneren Veranstaltungen am 31.12., die es in sich haben. Z.B. die Border Community Night im Melkweg in Amsterdam. Das Melkweg ist eine der bedeutendsten (Party-)Kultur-Lokationen in der Stadt, wo dem Anschein nach des öfteren eine Orgie von Feuerwerken gefeiert werden.

Wie auch am 19.10, dem Tag unserer Anreise für das ADE. Nahezu sämtliche Acts, welche das Programm in nur einer (!) Nacht bot, hausieren selten bzw. so gut wie nie in Deutschland. Somit möchte ich den Timetable zu einen der extravagantesten zählen, welche sich je in meinem Leben für eine Clubnacht geboten haben! Namen gefällig? Guckst du: Pearson Sound, Kenny Larkin, Motor City Drum Ensemble, Kyle Hall, Caribou, und zuletzt das "aktuellere" Moritz von Oswald - Trio: Carl Craig, Francesto Tristano und schließlich Oswald selbst.

- W O W -

Szeneikonen en masse geballt an einem Ort in einer Nacht. Lapidar gesagt dürfte sich die 6-stündige Fahrt nach Holland schon allein für diese Clubnacht gelohnt haben! Unseren Karten im Vorverkauf schlummerten wie ein gehüteter Schatz in unseren Hosentaschen. Ein Segen für all jene, die welche haben, ein Fluch für all die anderen…

Das Melkweg bietet gerade für solche Aktivisten wie Oswald & Co. eine angemessene "Bühne", besitzt es denn eben eine bzw. mehrere. Diese Kultur-Institution ist eben ein mulitkultureller Veranstaltungsort, welcher mehr zu bieten hat, als die reine "Clubbing-Offerte". Aufgeteilt in mehrere "Floors", verbunden durch großzügige Foyers und Flurbereiche, können dann eben mal so "Partys" wie die o. g. am 31.12. oder die nun zu beschreibende "leichtfüßig gestemmt" werden.

Der Zauber der Nacht manifestierte sich zugleich in unseren Sinnesorganen bei Ankunft in Floor 2: Der Jungspund und vermeintliche Träger des Erbes von Detroit, Kyle Hall, zauberte mit seinen langen Tentakel-Armen eine opulente Bass-Architektur zum Besten, welche aufs Leichteste den prall gefüllten Raum zum Beben brachte. Kyle Hall gilt als neues Wunderkind im Technozirkus - Sein "DJ-Dasein" im Rahmen Carl Craig´s "PLANET E 20TH ANNIVERSARY" nicht verwunderlich.

Die ausgesprägte Bassline in seinem Set trug den Vibe fortwährend in jeden Winkel des Raumes, Rhythmus-Variationen geschuldet von Reminiszenzen an "UK Bass Continuum" inkl. Fußnoten bzw. Seitenhiebe in die Magengrube der - man kann mittlerweile sagen - Prä-Dubsep-Ära kreierten eine besondere Sound-Ästhetik, welche euphorische, energetische Wellen im Publikum geradezu vorpgrammiert - im wahrsten Sinne des Wortes.

Danilo Plessow aus Benz-Town aka MCDE konnte augrund unserer verspäteten "Einkehr zum satten Bass" nicht begutachten, zumindest ließ er sich zu Hall´s Set nochmal blicken und lauschte gebannt, ebenso wie später Carl Craig, dem Set seines Kollegen. Nur allzu gern wären wir in den diskoiden Klangstrom dieses Mannes eingetaucht, welcher für Stuttgart seit geraumer Zeit die House-Fahne in Ehren emporhebt und erst kürzlich seinen Beitrag zur Fabric-Mix-Reihe geleistet hat.

Nun gut, der Abend bot ja noch mehr. Bspw. ein Kenny Larkin, welcher nach Pearson Sound in der großen Halle - Floor 1 - sein Können zum Besten gab. Kenny Larkin pflegt ein intimes, freundschaftliches Verhältnis zu Carl Craig, ebenso dürfte das auch auf andere Namen in der Szene zutreffen, bspw. den Labelchefs von Imprints wie Rush Hour, Transmat, R&S, Warp, Peacefrog Records und eben Planet E, auf denen Larkin in seiner Diskografie so einiges zu verzeichnen hat.

Kenny Larkin ist ein notorischer Eigenbrötler im guten Sinne, das hört man nicht nur, das sieht man zu gegeben Zeiten auch: Er verinnerlicht geradezu eine Aversion zu Drogen jeglicher Art, noch dazu dem Alkohol. "Das Leben an sich ist aufregend genug" - Vorbildlich, Hr. Larkin!

Im Melkweg spielte er ein souveränes DJ Set, die Spannung im Raum aber wohl eher getragen von den Hintergrundgeschehnissen. Dort bereitete man schomal das üppige Setup vor, welches später von drei Heronen in Anspruch genommen werden sollte. Kommen wir zur Maintime des Abends.

 

Moritz von Oswald (Basic Channel, ein Begriff??) in Kollaboration mit Craig´s Sprössling Tristano von der Band "Aufgang" und eben dem Owner von Planet E zelebrierten ein - man möchte sagen - "Live-Konzert", welches von elektronischen und akustischen Klängen gleichermaßen getragen wurde. Tristano auf Klavier, Craig als zentraler Steuerkommanteur an den Synthies und Rechner, und Oswald schließlich an Drummachines und weiteren Effektgeräten, welcher sich mal mehr "bescheiden" ins Rampenlicht einbrachte (Oswald besitzt die Umkehr eines Aufmerksamkeitsdefizitsyndroms), noch dazu als Sitz einen konventionellen (oder vlt. ist das ja auch ein neumodisches Technik-Instrumentatrium) Bürostuhl wählte.

Alles in allem ein aussergewöhnliches Szenario, welches man nicht aller Tage zu sehen bekommt. Das 20-jährige Jubiläum will eben standesgemäßg gefeiert werden. Die Klänge, welche das Trio hand in hand aus ihrem Instrumentartium "herausmeiselten", bildeten im Ganzen eine experimentelle Sound-Skulptur, welche es im Großteil eher als "listening-session" zu verstehen galt. Demnach hielt sich ein Tanzen der Anwesenden in Grenzen, plötzliche Peaks und fordernde Momente der Darsteller kamen folgerichtig umso mehr beim Publikum an.

Am Augenscheinlichsten trat der Beitrag von Francesto Tristano hervor, nicht nur der Tatsache geschuldet, dass man jeden Tastendruck auf dem Klavier einsehen konnte. Besonders die klassischen Sound-Schnipsel machten das Set so einzigartig, ein Wechselspiel aus Elektronika, Techno, Ambient, Dub. Wer sich ein Bild von solch Musik machen möchte, dem kann ich nur die Erzeugnisse des (eigentlichen) Moritz Von Oswald Trio´s (Oswald mit Mark Ernestus u.a.!) ans Herz legen: Vertical Ascent (Honest Jon's Records, 2009) und Horizontal Structures (Honest Jon's Records, 2011).

Dieser erstaunliche, vorherrschende Klangraum wurde im Floor 1 fortgeführt von dem ADE-Homie Dimitri Kneppers gehalten bzw. fortgeführt, wenn auch versehen mit einem mehr trancigen Charakter. In Floor 2 führte kein Geringerer als Caribou die Nacht dem Ende entgegen. Hier sei angemerkt: Caribou trat nicht in Band-Formation auf, sondern präsentierte ein DJ-Set, welches nicht minder als "qualitativ wertvoll" bezeichnet werden kann. Gern hätten wir mehr Zeit gehabt seiner Musik zu erleben, so blieb uns am Ende nur noch ein Trost-Ständchen.

Aber eben wie schon erwähnt: "So much to hear, so little ears" Dabeisein ist alles.

..."

2011 by bullytm, pics/text by christian h.] - powered by STORM Urban Water H2O + ENERGY !





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