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time warp

maimarkthalle - mannheim

02.04.2011

[anm.d.red.:
1. Bild, das; -[e]s, -er [mhd. bilde = bild, gestalt, ahd. bilidi = nachbildung, abbild; gestalt, gebilde
2. bei szenemag für gewöhnlich ohne nachbearbeitung in "reinform". keine verwendung von farb- oder sonstigen filtern, keine manipulation, what you see is what you get! evtl. zu sehende verformungen und lichteffekte entstehen ausschließlich auf grund der gegebenheiten vor ort sowie ggf. unter verwendung eines konventionellen fotoblitzes.
3. die umrandeten fotos sind mit groß-formaten hinterlegt. auf wunsch
mailen wir euch auch gerne die original-größen.]
 

was lange währt, wird endlich gut. christian h. und sein timewarp bericht. vielen dank christian, auch wenn es etwas länger gedauert hat als sonst. dafür gibts für euch einen extrem detaillierten bericht.

die time warp haben wir in den letzten jahren alles andere als vollständig besucht. dennoch gibt es time warp erfahrungen, z.b. eine von unserem "gründervater" alex aus dem lang zurückliegenden jahr 2000 oder dem chris & suomi aus 2001. danach nahmen wir den time warp faden erst wieder in 2010 auf.

wenn das alles so stimmt, was wir so in unseren reviews schreiben, dann war die time warp in 2001 bereits die 12. ihrer art, d.h. wir befinden uns in 2011 bereits bei der 22. ausgabe. somit ist die time warp in der tat einer der ganz alten (überlebenden) dinosaurier alter rave-tage.

"... Liebe Club- und - nun kann man das Wort in den Mund nehmen - FESTIVALfreunde, die Saison der Megaraves und Festivals ist gestartet, offiziell in Deutschland - immerhin für einen Großteil von Szenekünstlern - mit der jährlich stattfindenden Timewarp-Veranstaltung in Mannheim. So auch am 02.04.2011, an welchem das Messegelände Maimarkthallen auf den Kopf gestellt wurde.

Aufs Stichwort: "Auf den Kopf gestellt". So verkopft sich das ganze anhört, unser Kopf wurde auch auf den Kopf gestellt. Ruhe, Gedanken sammeln, tief durchatmen. Und NEIN, dieser Bericht hier geht mir alles andere als leicht von der Hand. Ist es doch so viel, was man schreiben könnte - es hat sich soviel Futter angesammelt, das man gar nicht weiss, wo man anfangen soll.

Unzählige Eindrücke und Bilder, die im Kopf kreisen. Dann und wann Sound-Fresken (ein besonders - wie ich meine - treffender Neologismus) in den Gedächtniswelten manifestiert. Es bleibt einiges! Und das ist etwas schönes (die philsophische Schiene haben wir soeben eingefahren (jetzt schon...)), denn diesen prall gefüllten, kunterbunten Rucksack trägt man für eine gewisse Zeit mit durchs Leben. Erlebnisse teilen, in Erinnerungen schwelgen, ins Techno-Universum weiter eingetauchen und das Musikverständnis ausgeweiten.

Die Techno-Lawine rollt und rollt, und es scheint kein Stoppen zu geben. Nicht in unserer Szene, schon allein aufgrund der fundamentalen Basis von technischen, schnell wandelnden und immer mehr ausgereizten Gadgets, auf welchen die Techno-Musik baut. Revolution, Antrieb, Ideen, Fortschritt, Entwicklung, Entfaltung, Zukunft,... und? - GUDE Laune! Fangen wir uns nun wieder und kommen zum Wesentlichen: Dem "Festival für Jetztmusik und Medienkunst".

Der Name propagiert es ja schon und jedem sollte schon jetzt klar sein: Es geht um weitaus mehr als nur Musik. Wobei vordergründig natürlich die Klänge die vorherrschende Macht darstellen, doch für diese vermeintliche Vorherrschaft tragen schließlich das Drumherum in hohem Maße bei. Und um den Bogen wieder zur TTK zu schlagen: Die Timewarp ist zu einem Rundum-Sorglos-Paket geschnürt, ein Geschenk für den Musikfreund. Dumm, wenn man das nicht annimmt.

Besonders in unserer Technonation, wo immer mehr kommerzielle, massentaugliche Events aus dem Boden sprießen, ist es eine Genugtuung sondersgleichen, die Festival-Entwicklung der Timewarp zu beobachten: Schmückt sich das Line-Up jährlich doch mit den angesagtesten und interessantesten, internationalen Künstlern, fernab des Mainstreams. Und das seit nun 16 Jahren. Bezeichnend für dieses Faktum die Playtime von Laserkraft 3D am frühen Samstag Abend um 21:30 (aber man muss gestehen, zu späterer Stunde hätte sich der Sound weiß Gott nicht mit dem folgendem Musikstilgemenge vertragen).

[anm.d.red.: hmm, irgendwer hat falsch gerechnet, entweder wir oder christian... nja, egal ob 16 oder 22, auf jedenfall ne lange zeit...]

Zu späterer Stund, da wären: Luciano und Carl Craig - klick 2 klick (tief durchatmen Christian), Ricardo Villalobos, Stefan Goldman (Macro Records - bitte unbedingt den Backkatalog aufrollen!), Jacek Sienkiewicz aus Warschau (neues Album: "On the Road"), das hochgepriesene Live-Set eines Henrik Schwarz - sozusagen Techno "Made in Germany", wie es Sven Väth im O-Ton lautstarkt angkündigte.

So habe ich den Namen schon wieder erwähnt, obwohl ich versucht hatte, ihn aussen vor zu lassen. Wayne. Wer noch? Die Technofrigatte mit Chris Liebing, Len Faki und - alles wird gut Christian - Planetary Aussault System, das hoch gelobte Projekt eines Luke Slaters. Unmöglich jedem Act - sowohl live vor Ort, wie nachgeschaltet in der Berichterstattung - gerecht zu werden, soll aber nun noch die paar Namen nicht unerwähnt bleiben: Dubfire, die Minus-Posse Hawtin, Gaiser, Magda, Barem, Josh Wink, Marco Carola, Carl Cox...

Cut (ich muss auf meinen Blutdruck achten...)! Auf dem Messegelände bietet sich natürlich genug Platz für solch ein Aufgebot. Mehrere, große Hallen (wie das so ist auf einem Messegelände) stehen in Reih und Glied auf dem Areal. Neben den eigentlichen, sounddienlichen Hallen gibt es eigens welche für Essen und Trinken, Chillen (sehr zu empfehlen...), Garderobe usw. Die Dimensionen sind eben anders gestrickt als die übliche Clubnacht.

Timewarp ist gut "beladen", aber nicht ÜBERladen! So mein Eindruck der diesjährigen Auflage. Allzeit hatte man genug Freiraum um sich, egal wo man sich befand. Entweder aufgrund ausgeklügelter Organisationssysteme seitens der Veranstalter (Einlasspolitik, Bündelung von Verkehrsströmen, Stichwort: Höhere Sicherheitsanforderungen aufgrund Love Parade) oder einfach weil weniger "los war" als in den Jahre zuvor. Letzten Punkt kann ich mir weniger vorstellen, denn woran sollte das schon liegen?

Die Running-Order lies sich so gut wie schon lange nicht mehr, das Wetter war ebenfalls so gut so wie seit Jahren nicht mehr (Floor 5 - Ibiza lässt grüßen (ich komm gleich dazu)), und der Preis hat sich auch nicht erhöht (im Gegensatz zu einigen anderen, deutschen Festivals). Timewarp ist und bleibt für mich das beste und einzige (?) deutsche In-door-Festival, welches dem Spirit und Grundzügen der Techno-Kultur - Unabhängigkeit, Abgrenzung zum Mainstream etc. - am meisten treu geblieben ist.

Wie ihr sicherlich bemerkt habt, gab es bisher kein größeres Eingehen auf bestimmte Aktivitäten und Geschehnisse in dieser kleinen "Mikrogesellschaft" in Mannheim. Ich wehre mich bewusst dagegen, denn wenn ich einmmal anfang, könnte es passieren dass ihr mein Schreiben 10 Seiten weiter immer noch lest. Und das wollen wir doch alle nicht, oder? Nun denn, dem Prinzip halber möchte ich trotzdem mein Ablassventil penibel aufdrehen, in größter Konzentration, das ja nicht zu viel heraus kommt.

Wir schreiben Sonntag, den 03.04.2011, früh morgens um 09:00 Uhr, Floor 5 - dem überglasten Pavillion-Floor auf dem Maimarktgelände in Mannheim. Es geht gerade eine Party von statten, die man gewiss zu den besondersten und "wichtigsten" des ganzen Jahres bezeichnen kann. Eine Party, die jährlich immer von der gleichen Sorte ist. Man sagt, das wiederholtes i-wann zur Gewohnheit wird und Gewohnheit dann und wann zu Langeweile führt. Ja, für gewöhnlich. Aber was ist hier schon gewöhnlich?!

Ein Altmeister, ein "Elder statesman" des Technos, ein Pionier in unserer Szene, oder einfach eine lebende Legende: Laurent Garnier himself hat seinen Stammplatz in Floor 5 auf der Timewarp. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche bzw. so sicher wie eine gelungene Party in Floor 5. Die letzten Jahre "free-solo", heuer mit einer größeren Marschtruppe: Sind es nominell nur 2 Köpfe mehr, war der Sound heuer so "groß" wie lange nicht mehr: L.B.S. hielt Einzug in den Ibzia-Flair-versprühenden Pavillion der Timewarp.

Laurent Garnier bastelt auf seine Art weiter daran, Live- und DJ-Set zu einer Einheit zu vermischen. Während bei anderen die Technologie im Vordergrund steht, geht es bei dem französischen House- und Techno-Veteranen immer über die Einbindung und Interaktion mit befreundeten Musikern. L.B.S. besteht aus den langjährigen Kollaborateuren Benjamin Rippert und Stephan Scan X, gestartet nach der letzten gemeinsamen Tour zu seinem aktuellen Album "Tales Of A Kleptomanic".

L.B.S. sprengt dabei die Grenzen zu allem bisher Dagewesenen. In einer einzigartigen Hybrid-Performance vereinen Garnier, Benjamin Rippert und Scan X Elemente aus DJing, Live und Instrumentals in einem treibenden Club-Set. Der Act lebt dabei nicht nur von der reinen Innovation an sich, sondern vor allem auch durch die individuellen Fähigkeiten der drei Protagonisten, etwa den virtuosen Improvisationen von Benjamin Rippert am Rhodes Stage-Piano oder den sich langsam aufbauenden Soundflächen aus den Synthesizern eines Scan X.

Die drei Haudegen schickten die Menge mit rasanter Fahrt durch den Morgen. Der Sound war so mächtig und "episch", und zugleich so elegant wie kein anderer. Man hat ja schon viel gehört, aber dann hört man Sounds wie von einem anderen Planeten. Von den Protagonisten mit einer Gelassenheit zelebriert wie das morgendliche Frühstücksei, entfaltet die Darbietung eine Coolness sondergleichen.

Die einfallenden, rasierklingenscharfen Sonnenstrahlen der prallen Morgensonne, die anspornenden und sinnlichen Sprecheinlagen des Franzosen, die pulsierende, treibende Masse von Menschen, und zu guter letzt dieser gnadenlos, gute Sound. Gänsehaut. Es gibt wenig vergleichbares, auf der Timewarp sowieso nicht. Und das weiß auch der Begründer der Veranstaltung, und so hatte dieser auch wieder sein x-tes Déjà-vu-Erlebnis mit Floor 5 bzw. mit Laurent Garnier.

Die Kenner wissen um den Wert dieses Zeitraums und diesen Ortes, somit war der Pavillion zum bersten gefüllt und die Wand- und Deckenoberflächen schweißgebadet. Zahllose namhafte Künstler kamen wie immer vorbei, z.B. ein Carl Cox, Monika Kruse und natürlich, wie soll es anders sein, Karotte. Dieser stich die Masse mit bestimmt gekonnten Showeinlagen an und sorgte wieder für einige grinsende Gesichter. Es war ein Augenschmaus, wohin man auch blickte.

Es gilt jede Sekunde der Anwesendheit zu leben, alles andere ausserhalb dieser vier Wände wird bedeutungslos. Wir befinden uns im Hier und Jetzt, wohlbesonnen und behütet eines größten, intelligentesten Sound-Gefrickels, was sich doch jeder Raver wünschen muss. Vlt. Lohnt sich der Eintrittspreis von 65€ alleinig für diese Show, denn sowas bekommt man nicht alle Tage geboten.

Techno At-it´s-best mit french-touch und Abgehfaktor XXL. Sie überzogen ihre Playtime von 09:00 Uhr und beendeten ihrer Kunst eine halbe h später und die Timewarp war um ein weiteres, historisches Ereignis reicher. Das müssen die Momente sein, die uns antreiben Wochenende für Wochenende unsere Kreise in der Szene zu ziehen.

..."

2011 by bullytm, pics & text by christian h.] - powered by STORM Urban Water H2O + ENERGY !





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