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time warp

maimarkthallen - mannheim

31.03.2012

[anm.d.red.:
1. Bild, das; -[e]s, -er [mhd. bilde = bild, gestalt, ahd. bilidi = nachbildung, abbild; gestalt, gebilde
2. bei szenemag für gewöhnlich ohne nachbearbeitung in "reinform". keine verwendung von farb- oder sonstigen filtern, keine manipulation, what you see is what you get! evtl. zu sehende verformungen und lichteffekte entstehen ausschließlich auf grund der gegebenheiten vor ort sowie ggf. unter verwendung eines konventionellen fotoblitzes.
3. die umrandeten fotos sind mit groß-formaten hinterlegt. auf wunsch
mailen wir euch auch gerne die original-größen.]

bei weitem nicht alle time warps, aber immerhin, die älteste time warp aus unserem archive ist von 2000!
time warp
diverse locations,
meist in mannheim

since the 90´s

08.04.2000

sven väth,
rolando, dag,
laurent garnier,
...

07.04.2001

hell, sven väth,
carl cox, rush,
richie hawtin,
carl cox...

27.03.2010

dixon,
sven väth,
laurent garnier,
...

04.02.2011

laurent garnier,
carl craig,
luciano
...

christian h. begab sich dieses jahr erneut zu einem kleinen zeitsprung nach mannheim mit atemberaubenden eindrücken aus - so scheint es - einer anderen zeit! mission completed!

"...

Der Bass drückt von allen Seiten in die Magengrube. Kein Erbarmen. Immer weiter. Egal wo du dich im Raum bewegst, die alles beherrschende Kraft ist dieses gottverdammte Wuchern und Pochen im tieffrequentigen Bereich. Ab und An mischen sich andere tonale Nebenerscheinungen in dieses unwirkliche Raum-Zeit-Kontinuum, in welchem man sich schon seit Stunden gefangen fühlt. Aber das sind nur Nebenkriegsschauplätze. Es geht, als ob ich es noch nicht genannt hätte, um Bass. Bass, Bass and more FUCKING Bass! Der Bahnhof mit einem gut ausgebauten Fernverkehrszug steht bereit. Er ist für Jedermann zugänglich. Man muss nur einsteigen.

Ist man die Stufen denn mal emporgetreten, kann die Reise beginnen. Eine stetig wachsende Wegstrecke tut sich auf, mit einer Destination, die letzten Endes offen bleibt, welche jedoch vorläufig Ihren offiziellen Abschluss am Sonntag, um 14:00 Uhr erfährt. Wenn das magische Zusammenspiel von Reglern, Controllern und Knöpfen unterbunden wird, die Kopfhörer abgelegt werden, aus den monströsen Bassboxen nur noch ein letztes Rauschen hervortritt. Beglückt und vollkommen losgelöst von allen Sorgen des Lebens steht man nun da, und weißt, das es die beste Entscheidung war, an diesem Tag, zu dieser Zeit, hier gewesen zu sein: Halle 1 bzw. 2 auf dem Maimarktgelände in Mannheim.

Denn hier hatte man die letzten Stunden alles, was das Musik-Herz begehrt: Eine erlesene Auswahl hochkarätiger Musikkünstler a´ la carte (Halle1: Paul Rich, Marcel Dettmann, Ben Klock, Chris Liebing, Carl Cox, Adam Beyer, Rush; Halle 2: Dubfire, Maetrik live, Sven Väth, Extrawelt live, Richie Hawtin), eine hervorragende Soundqualität und, augenscheinlich, die seit Jahren wohl gelungensten Ausschmückungen der Locations in Form von Deko, Visiusals und Bühnentechnik. Kurz: Ein säuberlich und kunstvoll verpacktes, mulitmediales Gesamtpaket, für welches man sich in Deutschland schon länger auf die Suche begeben muss, um ein Gleichwertiges im Hallen-Rave-Zirkus zu finden. Willkommen auf der Timewarp.

Die Time Warp wäre aber nicht die Time Warp, hätte sie nicht noch mehr zu bieten. Mehr in Sachen Musik, Künstler, Floors, ... Crazyness. Denn in irgendwelchen Formen ist die Crazyness, Sven Väth möchte meinen: Freakshow, allzeit present. Egal wo man sich befindet, ob in den Hallen, vor den Hallen, zwischen den Hallen, oder... auf den Toiletten. Eine Freakshow maßgeblich zelebriert von dem Publikum, welches sich wie bei keinem anderen Festival so international aufstellt wie auf der Timewarp, welche sich bereits Ihrer 17. Austragung erfreut. Von allen Herren Ländern kommen Heerscharen feierwütiger Techno-Rebels (mehr oder weniger...) in die zweitgrößte Stadt Baden-Württembergs gepilgert, um diesem Fest, gehuldigt der Techno-Musik, beizuwohnen bzw. vielmehr zu gestalten. Denn die stellenweise für die elektronische Musikszene in Deutschland kulturell bedeutende Feiereien auf diesem heiligen Gelände wären diese nicht ohne jene Protagonisten. Ob aus Spanien, Frankreich, England, Italien, natürlich Holland, etc. - You´re Welcome!

Die Floors, logisch auf dem weitläufigen Gelände verteilt (ausser der neu hinzugekommene Floor 6, welcher seit diesem Jahr den eben nahe dem Gelände-Zugang gelegenen "Chill-Out-Floor" [es ging oft nicht minder zur Sache...] verdrängt), differieren in Musikauswahl, Raumvolumen und -gestaltung, und letztendlich Atmosphäre (nicht in der Freakshow, denn die ist allerorten die sichere Bank). Hier ist besonders der Floor 5 hervorzuheben, optisch uneingeschränkt die Lokation auf Platz 1 der Aussergewöhnlichhkeits-Skala. Und nun rinnt mir auch schon der größte Wehmuts-Tropfen herunter, in dem Wissen, die letzten Stunden dieser Stätte des heiligen Grals, traditionell getragen von den Mannen Garnier und Karotte, nicht miterlebt zu haben. Stichwort: erlebt. Getrost kann man davon ausgehen, und das jedes (!) Jahr, das dort ein Manifest des Technos zu erleben ist. Eine Feier, die wohl zu den Wichtigsten (!) für unsere Techno-Kultur im Jahr gezählt werden darf. Aber je mehr ich mich darüber auslasse, desto mehr macht sich geradezu Traurigkeit breit. Ich beende dieses Thema an dieser Stelle, und möchte mal wieder meinen persönlichen, wirklich gut gemeinten Ratschlag an die Leser verteilen: Jeder Musikliebhaber sollte zumindest EINMAL in seinem Leben die Zeit von 06:00 bis 09:00 frühs an diesem Ort erlebt haben. Bitte, gerngeschehen!

Aber das ist eben der große Pluspunkt dieses Festivals: die Möglichkeiten bereit zu halten, jedes Jahr mit Neuem überrascht zu werden. Es ist die ausgewogene Mischung aus Bewährtem und Neuen, die diese Mega-Sause so unnachahmlich macht. Hat man in einem Jahr das oben angesprochene Venue nicht zu Gesicht bekommen (zumindest hab ich auf dem letzten Drücker noch ein paar Bilder schießen können, damit ich sagen kann "Ich war dabei"), so behält man eben andere Schauplätze der Kunst in Erinnerung. Die Auswahl ist groß. Die persönlichen Eindrücke aufs Leichteste overflashed. Da tut auch das breite Spektrum an Menschentypen im Publikum, in welchem sich die ein oder anderen Abgründe auftun können - die aus der Not ausgerufene, Väth´sche Apostel "Gude Laune" kommt nicht von ungefähr [Anm. der Red.: die Versuche der Beschwichtigung von Sven Väth anlässlich einer Schlägerei im Publikum] - kein Abbruch. In der Fülle an positiven Sinneseindrücken versickern diese schnell im Dunkeln.

Es fällt schwer die Highlights der diesjährigen Timewarp herauszufiltern, zudem diese Auswahl sowieso von den subjektiven Eindrücken der "Spectators" gebildet wird (Außer, wie schon gesagt, Floor 5 natürlich). Ob radikale Basslastigkeit (da haben wir ihn wieder...) der Berghain-Schule (Dettmann, Klock), schwedischen Looptechno (Beyer), grobes "Hau-Druff-Gebrettere" (Rush), minimalistisches Getänzel auf der breitspurigen Palette von Bass- und Melodie-Abfolgen (Magda, Kruse, Kröcher), Melodie-getränkter Hymnen-Sound in Live-Performance in Form von Extrawelt, oder die "Bass rein, Bass raus - Sounds" mit der Minimize 2 Maximize - Philosophie des Minus Clans (Hawtin, Carola, etc.). Es war bzw. ist auf der Timewarp für jeden etwas dabei. Spätestens dann, wenn um 06:45 weit vorne am Horizont in Halle 2 - so far as the eye can see - die obligatorischen Parolen lautstark unters Volk gebracht wurden: "Timewarp People, we´re celebrating 17 years. Thank you, Danke, Grazie, Gracias, .......... WE ARE TIMEWAAAAAAAAARP!!!!!!!!" in oben stehender Auflistung noch mit anzuhängen: ... oder der Väth´sche Mischmasch, verdichtete 30 Jahre Techno-Historie.

Zu guter letzt ein kurzer Reblick auf meine persönlichen Höhenflüge für dieses Jahr Timewarp: Die Geschehnisse im neuen Floor Nummero 6. Dort nistete sich einer der momentan beliebtesten Dj´s (nach dem Poll-Ranking von Resident Advisor) - Seth Troxler ein. Zusammen mit seiner (Jugend-)Bande, bestehend aus Lee Curtiss, Ryan Crosson und Shaun Reeves brachte er im unnachahmlichen Stil (was für eine sympathische Erscheinung dieser Jungs!!!) den Laden zum Beben. Man möchte schon fast meinen, Club, denn diese "Halle" stand in Sachen Größe/Volumen in keinem Vergleich zum Rest. Diese war nämlich deutlich kleiner angelegt, so dass stellenweise tatsächlich Club-Feeling aufkam. Die Stimmung war ohne Zweifel erhaben. Eine sehr intime, innige Beziehung zwischen Publikum und Künstler lag in der Luft - Nebst großartiger Klangskulpturen gemeiselt aus dem nie enden wollenden House- und Technokosmos. House ernährt sich bei Vision Quest von Techno und Techno von House. Angereichert mit ordentlicher Portion Lebensfreude. Eine Hot-Creation! Das schrieben bzw. schreiben sich die Jungs auf die Fahne und lassen Ihr Publikum vollends teilhaben. Das sind wieder genau jene Momente, nach denen es zu suchen gilt. Die besonderen, erhabenen Momente, die man nicht allertage findet.

Den letzten Absatz nehme ich zum Anlass, den Geist jener Besserwisser zu öffnen, die sich strikt einem Beisein dieses Festivals verweigern, einzig und allein aus dem Grund mit der Formulierung, es sei eine "Kommerz-Großraum-Rave-Kirmes-Techno-Scheiße". Macht was ihr wollt, doch bitte seit einmal in eurem Leben vernünftig, und kommt nächstes Jahr unter die Glaskuppel (Floor 5). Ich schreibe es mir ganz oben auf die Fahne. Die Fahne, empor gen dem satten Blau des Himmels ragend, jeden noch so großen Erschütterungen standhaltend, ganz vorne auf meinen Fernverkehrszug. Ach ja, der fährt übrigens immer noch. Und eurer?

..."

2012 by bullytm, pics & text by christian h.] - powered by STORM Urban Water H2O + ENERGY !





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