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nachtdigital 13

bungalowdorf - olganitz

freitag

30.07.-02.08.2010

[anm.d.red.:
1. Bild, das; -[e]s, -er [mhd. bilde = bild, gestalt, ahd. bilidi = nachbildung, abbild; gestalt, gebilde
2. bei szenemag für gewöhnlich ohne nachbearbeitung in "reinform". keine verwendung von farb- oder sonstigen filtern, keine manipulation, what you see is what you get! evtl. zu sehende verformungen und lichteffekte entstehen ausschließlich auf grund der gegebenheiten vor ort sowie ggf. unter verwendung eines konventionellen fotoblitzes.
3. die umrandeten fotos sind mit groß-formaten hinterlegt. auf wunsch
mailen wir euch auch gerne die original-größen.]


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faces...

some impressions of the last years picked from our archive

dieses jahr vertritt der christian die szenemag-präsenz in olganitz, wofür wir ihm sehr dankbar sind... wehmütig blicken wir auf die bilder & den text von ihm oder z.b. auch die beiträge von andré fiedler (welche ihr in ihrer gesamtheit auf flickr bestaunen könnt). in diesem sinne, viel spass...

"...

Liebe Techno-Knechtschaft (nicht zu wörtlich nehmen!!), ich habe mal wieder einen deftigen Grund ordentlich Druck abzulassen. Ja, es wird mal wieder Zeit für einen ausgedehnten Bericht! Ihr wurdet bereits von mir über mein enormes Mitteilungsbedürfnis in Kenntnis gesetzt, auch seid ihr euch bewusst um die Tatsache, dass wenn eine Sache einfach zu schön meine Seele/Geist berieselt, mein techno-durchgeschossenes Gehirn mit "Error - Error - Error" - Alarmsignalen ins Straucheln gerät.

Ich muss nun allerhand loswerden, was gar nicht so einfach ist! Also, um welche "Sache" geht's denn jetzt überhaupt? Liebe Freunde "elektronischer Geisteswissenschaft" (… es dreht sich im Grunde genommen um mehr als nur Musik!!!), vergangenes Wochenende fand am "Arsch der Welt" - der Ausdruck ist in diesem Fall alles andere als negativ zu verstehen - das vermeintlich schönste Festival der Republik statt, das "Nachtdigital" in Olganitz (Sachsen). Nein, nicht die 12 hat geschlagen, sondern die 13.

Wenn man so wie ich ab und an in deutschen Szene-Gefilden sein Unwesen treibt, kann es durchaus öfters vorkommen, dass dieser Name "Nachtdigital" fällt. Z.B. wenn man einen wirklich wahren, erfahrenen Szene-Protagonisten nach den besten Festivals in Deutschland frägt. Oder es reicht auch alljährlich die 4. Quartals-Ausgabe der Groove heranzuziehen und mit dem Finger den Top10-Festival-Poll abzufahren. Hinten angefangen, kann man weit nach oben/vorne schauen, bis denn dann das angesprochene Event auftaucht.

Selbstverständlich setzt sich nach und nach unweigerlich ein Bild im Kopf fest, und mit so manchen Vorahnungen und Erwartungen geht man nun auf Reisen. Wie in diesem Fall eine Reise nach Olganitz, ein wahrliches "Kuh-Kaff", auf halber Luftlinie zwischen Dresden und Leipzig gelegen. Wenn ihr ältere Reporte von Nachtdigital-Events auf unserer Page durchgelesen habt (review2003, review2004), könnt ihr meine Gedankenwelt im Vorfeld zum Festival erahnen:

Das Nachtdigital Event als Gegenpol zu den mächtigen Profit-Maschinerien mit Künstler- und Besucher-Massenabfertigung, das Nachtdigital als ein Ort der Begegnung, "great people" - wie das Arm-Bändchen proglamiert, das Nachtdigital als Möglichkeit der Bewusstseinserweiterung, allen voran der Musik, der kollektiven Extase-Findung, von "great Athmosphere"… Bestätigen sich nun aus meinem Blickfeld diese Dinge?

Meinen Erfahrungsbericht soll anfänglich eher subjektiv ausgelegt sein, also meine persönlichen Empfindungen ausdrücken, welche sich im Automatismus ergeben, wenn man wie ich als Neuling zum ND stößt. Objektiver betrachtet dürfen manche Dinge nicht unerwähnt bleiben, diese sollen am Ende meines Textes in eurem "Brainstorming" - JAAAA, ICH MÖCHTE EUCH ZUM DENKEN ANREGEN - einfließen.

Freitag, 30.07.2010. Die athmosphärischen, treibenden Flächen und Beats sind ins Rollen gekommen, wir fahren in gudster Laune gen Norden, in Begleitung der aktuellsten Reihe der "Balance-Mix-CD" von Agoria. Die Fahrt gestaltete sich recht sorgenfrei, und gegen 11 Uhr erreichten wir schließlich das Bungalow-Dorf in Olganitz. Wir hatten schon Befürchtungen die letzten Kilometer müssten auf Schotterpisten und Feldwegen bewältigt werden, so abwegiger und zivilisations-ferner fuhr man über Hügellandschaften ins Hinterland.

Angekommen, leitete man uns direkt über einen spärlich präparierten, staubtrockenen Acker zu unserem Abstellplatz. Zugegebenermaßen hätte man diese trostlose, mühsam begehbare Ackerfläche etwas "besucherfreundlicher" aufpeppen können. Nichts desto trotz, es war schließlich nicht unsere Tanzfläche für die nächsten 2 Tage…

Das Bungalow-Areal betreten, fand man sich wieder in einer mit aufwändigen Lichtinstallationen bespickten Naturkulisse, welche hauptsächlich gebildet wird von einem angrenzenden Waldrand, einem vorgelagerten Badesee und der Festivalwiese an sich. Anfangs viel, wie so oft als Neuankömling, die Orientierung nicht so leicht, jedoch ist das Gelände doch recht überschaubar. Ich empfehle die hoch-detailierte, bis ins kleinste Detail ausgefeile Gelände-Karte anzuschaun: *click*

Obwohl der Sound von der Mainstage einen schon recht freundlich begrüßte, zog es uns weiter in die "Second Stage" - einem größeren Zelt. Die Uhr vermeldet 01:00, Zeit für den Texaner Jeff McIlwain's alias "Lusine", die Regler in die Hand zu nehmen. Der ravige, aufregende Sound mit einer Note Dubstep schaffte schonmal eine angemessene Einstimmung auf den folgenden Act: Paul Rose, das "Hotflush" - Mastermind aus London, übernahm mit seinem Alter Ego "Scuba" die Plattenteller, bzw. muss man heutzutage sagen: "das MacBook".

An dieser Stelle sei erwähnt: Die Mix-Compi "Sub:stance", sein Beitrag zur gleichnamigen, monatlich stattfindenden Eventreihe im Berliner Club Berghain (welche einen bedeutenden Anteil zur Etablierung des neuen Musikstils Dubstep/"Dubtech" in Deutschland leistet), rangiert bis dato in meinem Best of Compilation - Poll 2010 auf Rang 2! Seine Musik fusioniert insbesondere den Berliner Rave-Sound mit dem Bristoler Dubsteb… wenn man es so nennen mag.

Gebannt wartete ich auf sein Auftreten, das Zelt war gut gefüllt. Letztendlich bot er der Masse einen funktionalen Mix aus den großen Farbtöpfen "Techno" und "Dubstep", welche schon merklich das Publikum forderte. Das Set war mehr oder weniger tanzbar, die dubbigeren Parts entnahmen dem Set die Geschwindigeit, bereiteten aber zugleich umso mehr auf größere Überraschungen vor. z.B. weitet sich aus einer 2-Step-Sequenz ein Loop heraus und mutiert zu einem Rave-Monster, was die ruhigeren Parts schnell wieder in Vergessenheit geraten lässt. Eine sehr intelligente Musik!

Ich gönne mir einen kleinen Zeitraffer in meinem Schreiben, sonst werde ich vor SonneMondSterne nicht mehr fertig. *g* "ND loves Border Community" - Szenemag too! Die Rush-hour der Border Community - Bande ist angebrochen. "Rushhour" kann man durchaus wörtlich verstehen, denn so stark wie ein Nathan Fake ("The Sky was Pink") Rotieren kam, hab ich schon lange keinen mehr gesehn. Da kann auch kein Matthias Kaden mithalten!

Wie so viele Acts präsentierte sich dieser Künstler als "Live Act", er spielte also ausschließlich eigene Produktionen. Der Sound war gewaltig! Nicht unverständlich, sein ständiges Wippen hinter den Controllern! Die Musik ist vergleichbar mit der von James Holden, zwar nicht so breitgefächert in Subgenres und ganz und gar anderen Musikstilen, aber dennoch mit der nötigen Portion "Border Community" - Melodie. Sein Set bot auch des öfteren Richtungswechsel und demnach keinen akuraten Spannungsbogen, was für viele Überaschungen sorgte.

Mittlerweile, 5 Uhr frühs, lichten sich die ersten Wolken-Konturen am Himmel, und stellenweise bricht der Himmel im bläulichen Schimmer aus der Dunkelheit der Nacht hervor. Das Areal wird überschaubarer, die gezeichneten Gesichter der Antwesenden lassen tiefer blicken. Unverkennbar war die Spannung vor dem nächsten Act-Auftritt. Das "Change Over" wurde umso deutlicher wahrgenommen, da es keinen "fliegenden Wechsel" von Live Set zu DJ Set gab.

Also, Manege frei für den Briten James Holden! Es sollte mein beste Feierzeit bis dato in diesem Jahr werden, und eine meiner größten Bewusstseinerweiterungen elektronischer Musik überhaupt. Ich hole weiter aus: Das schöne an elektronischer Musik ist die Tatsache, dass man sich nicht an stilistische Abrenzungen orientieren braucht, diese auch ganz und gar benennen muss (Worte Wolfgang Voigt´s). Davon abgeleitet: Man kann immer wieder in seinem persönlichen Musikverständnis überrascht werden.

Elektronische Musik funktioniert nahezug an jedem Ort, man kann sie überall hören. Gute elektronische Musik ist auf keine großen Namen angewiesen, sie funktioniert auch aus "kleinen Händen". Abschließend: Das Erleben von elektronischer Musik (wie Musik allgemein natürlich) ist abhängig von einer Vielzahl von Faktoren, die immer unterschiedlich zueinander im Verhältnis stehen.

WENN DANN die wichtigsten Faktoren eines Tages zusammenfallen, DU DICH zur richtigen Zeit am richtigen Ort mit der richtigen Stimmung befindest, dann passiert etwas, du erlebst etwas… Das merkst du aber nicht sofort, am meisten realisierst du es erst danach, wenn es vobei ist.

Der Act Samstag früh, den 31.08.2010, von 05:00 bis gut 08:00 Uhr, ist nun vorbei, aber immernoch schwelge ich tief in Erinnerungen. James Holden hat eine Art von elektr. Musik zum Besten gegeben, was ich in dieser Form so noch nie gehört habe! Da ich einer Fachsprache - leider - noch nicht mächtig bin und außerdem diesen Text hier für den Laien verständlich halten möchte, drücke ich mich ganz plump aus:

James Holden schafft es wie kein anderer, Musik aus ganz unterschiedlichen Musikgenres so ineinander zu vermixen, dass diese zueinander einen Fluss - Sinn! - ergeben, was man im Vorraus nie für möglich gehalten hätte. Selten hört man so ausgedehnte, weitreichende Übergänge von Track zu Track, man nimmt den Übergang stellenweise fast nicht mehr wahr. Die Stücke werden zudem noch durch Effektspielchen an Controllern entfremdet, ausserirdische Samples verschleiern die eigentlichen Tonspuren.

Mit diesem grundlegenden System des Setaufbaus und Auflegens schafft Holden es, ganz besondere Höhepunkte zu kreieren. Höhepunkte, die man oft sofort wahrnimmt, genauso oft aber auch erst währenddessen - oder, ganz und gar danach. James Holden bringt den Electro-Clash-Anhänger genauso wie den "Hooligan-Disco"-Verehrer (Ed Banger Sound, Petro Winter…), Trance-Träumer oder eben den Berliner-Techno-Jungen auf den Dancefloor. Alles fließt zusammen.

Dieser Fluss an ständigen Stimmungswechseln, wobei die Grundstimmung - im Border-Community-Zirkel allgemein - harmonisch, positiv angehaucht ist -, entladenden Emotionen und Überraschungen - Aha-Effekte - machen den Holden Sound zu etwas ganz besonderem. Man möchte schon fast meinen, in James Kopf funktioniert was nicht mehr richtig (man beachte die Gesichtszüge James Holdens). So überdreht, teilweise verwirrt, schwammig, andersartig hört sich sein Sound an.

Ich könnte länger so weitermachen, es muss aber genauso Platz noch für andere Künstler-Erwähnungen eingeräumt werden. Ich lege euch zum Abschluss dieses Kapitels noch folgende "Sound-Publikationen" (i-wann geht das ganze über Musik hinaus und wird zu einer Wissenschaft) ans Herz: "Balance 05", "At The Controls" und ganz aktuell: "Dj Kicks". Die besten Mixes der Welt? In Fachkreisen munkelt man darüber…

Dieser gesamte positive Vibe, Glückseligkeit und enorme Happiness (nicht nur bei mir), muss mal zum Ende kommen. Um halb 9 beendeten wir den Kopf-Zirkus, und zogen den Schlaf vor. Das Nachtdigital-Event hat sich jetzt schon gelohnt.

..."

2010 by bullyTM, pics & text by christian] - powered by STORM Urban Water H2O + ENERGY !





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